2. GRÜNDUNG UND NEUBESETZUNG

2.4. GRÖßE UND ZUSAMMENSETZUNG

DER BEIRAT ALS REPRÄSENTATIVES GREMIUM

Ein Beirat will die Interessen der migrantischen Bevölkerung vertreten. Um ein reprä- sentatives Gremium zu gründen, das die Akzeptanz möglichst vieler Menschen mit Migrationsgeschichte findet, ist es wichtig:

  • dass möglichst viele unterschiedliche Gruppen und Nationalitäten in einem Beirat vertreten sind
  • dass sich die Vielfalt der Menschen mit Migrationsgeschichte hinsichtlich Herkunfts- land, Alter, Geschlecht, Religion, politischer Orientierung und sozialer Lage im Beirat widerspiegelt

WIE KÖNNEN REPTÄSENTANZ UND VIELFALT SICHERGESTELLT WERDEN?

Dazu ist eine gründliche Analyse der lokalen Gegebenheiten, wie zum Beispiel die Zahl und Herkunft der Menschen mit Migrationsgeschichte, notwendig (Kapitel 2.2.: Vorbereitende Schritte). Vor jeder Wahl sollte geprüft werden, ob die Sitzverteilung noch die migrantische Bevölkerung in der Kommune widerspiegelt oder ob gegebenenfalls Änderungen vorzunehmen sind. Bei der Sitzverteilung sollten Sitze für kleinere Gruppen reserviert werden („Minderheitenschutz“). Zudem gilt es zu verhindern, dass eine Gruppe, gemessen an ihrem Anteil an der Bevölkerung, unverhältnismäßig viele Sitze erhält.

Die Mehrheit der Beiräte hat die Sitzverteilung nach Herkunftsländern bzw. Regionen und/ oder rechtlichem Status (für Eingebürgerte, (Spät)Aussiedler_innen, Asyl- bewerber_innen) genau geregelt und entsprechende Sitze für die einzelnen Gruppen vorgesehen.

Beispiele für die Sitzverteilung nach Herkunftsländern und Regionen:

Augsburg: 29 Sitze, davon mindestens 5 Sitze Türkei, 2 Sitze EU (ohne Griechenland und Italien), je 1 Sitz Griechenland, Italien, ehemalige GUS-Staaten, Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Serbien/ Montenegro, Naher Osten, Afrika, Amerika, Asien, Asylbewerber_innen
                                                                                                              
• Landkreis Lindau (Bodensee): 10 Sitze, davon 1 Sitz für West- und Nordeuropa einschließlich Nordamerika, 1 Sitz für Südosteuropa, 1 Sitz für Osteuropa, 1 Sitz für Spanien, Portugal und Lateinamerika, 1 Sitz für Italien, 1 Sitz für  Griechenland,
1 Sitz für Türkei, 1 Sitz für Naher Osten einschließlich Nordafrika, 1 Sitz für Afrika Subsahara, 1 Sitz für  Asien
                                                                                                           
• Schwabach: 13 Mitglieder, davon 2 Sitze für Griechenland, 2 Sitze für (Spät)Aussiedler_innen, 3 Sitze für Türkei, 6 Sitze für sonstige Staaten

Eine anders geregelte Sitzverteilung haben die Beiräte in Bamberg und Erlangen. Je nachdem wie viele Migrant_innen mit einer bestimmten Staatsangehörigkeit oder einer bestimmten Gruppe in der Kommune leben, erhält diese Gruppe mehr oder weniger Sitze. Die Gesamtzahl der Sitze unterscheidet sich somit von Wahl zu Wahl. 

Sitzverteilung in Bamberg und Erlangen:

Bamberg: Im Migranten- und Integrationsbeirat Bamberg haben die einzelnen Staatsangehörigkeitsgruppen entsprechend ihrer Anzahl:
101-350 = 1 Sitz
351-600 =  2 Sitze
601-900 = 3 Sitze
mehr als 900 = 4 Sitze
Staatsangehörigkeits-Gruppen bis zu 100 gemeldeten Staatsangehörigen und Staatenlose, die nach dieser Regelung keinen Sitz erhalten, werden zu einer Gruppe zusammengefasst.
                                                                                                                             
Erlangen: In den Ausländer- und Integrationsbeirat Erlangen entsenden die Gruppen „Europa“, „Asien“, „Amerika/Australien“, „Afrika“ entsprechend ihrer Anzahl:
401-850 = 2 Sitze
851-2.200 = 3 Sitze
2.201-4.000 = 4 Sitze
4.001-6.000 = 6 Sitze
6.001-8.000 = 8 Sitze
Ab 8.001 = 11 Sitze
Jede Gruppe erhält mindestens einen Sitz. Eingebürgerte und (Spät)Aussiedler_innen erhalten unabhängig von der Einwohnerzahl je 2 Sitze. Zudem können in einer Gruppe maximal 3 Personen desselben Staates gewählt werden.

In einigen Beiräten gibt es keinerlei Vorgaben, wie die Sitze zu verteilen sind. In diesem Fall ist es sinnvoll, zusätzliche Regelungen zum Schutz von Minderheiten in der Satzung oder der Wahlordnung zu formulieren, wie etwa im Integrationsbeirat Fürth. Dessen Sat- zung sieht vor, dass 15 Sitze proportional nach den auf die Wahlvorschläge entfallenden Stimmen verteilt werden. Zum Schutz von Minderheiten erhalten die Personengruppen Europa, Asien, Amerika/ Australien, Afrika und die der (Spät-)Aussiedler_innen mindes- tens einen Sitz: Jede Staatsangehörigkeit bzw. die Personengruppe der (Spät-)Aus- siedler_innen kann jedoch höchstens vier Sitze erhalten.

Zudem sollte ein Beirat auch die Vertretung von geflüchteten Menschen gewährleisten. Hier gilt es sicherzustellen, dass diese Zielgruppe von der Wahl erfährt und die Möglich- keit erhält, an der Wahl teilzunehmen und sich zu engagieren.

WIE VIELE MITGLIEDER SOLLTE EIN BEIRAT HABEN?

Ein Beirat sollte sich bei der Entscheidung, wie viele Sitze er insgesamt haben will, an ähnlich großen Kommunen orientieren. Bei großen Beiräten kann die Gefahr bestehen, dass sich ein Teil der Beiräte nur wenig engagiert bzw. die Organisation von Sitzungen und Beschlussfassungen zu kompliziert wird. Bei sehr kleinen Beiräten besteht die Gefahr, dass der Beirat nicht repräsentativ ist und nur wenige Personen tatsächlich aktiv sind.
Für die Besetzung der Sitze im Beirat gibt es verschiedene Modelle, angepasst an die jeweiligen Gegebenheiten vor Ort. Dabei lässt sich zunächst unterscheiden, ob

  • die Gesamtzahl der Sitze genau festgelegt ist, wie zum Beispiel in Bad Kissingen (9), Fürth (15), München (40) oder Nürnberg (30)
  • oder ob die Gesamtzahl der Sitze sich von Wahl zu Wahl unterscheidet, abhängig davon, wie viele Ausländer gemeldet sind, wie zum Beispiel in Bamberg oder Erlangen
Was spricht für die Öffnung für Eingebürgerte und (Spät-)Aussiedler_innen?

Früher waren nur so genannte Pass-Ausländer_innen Mitglieder von Ausländerbeiräten. Parallel dazu gab es in vielen Städten Aussiedlerbeiräte. Heute gehören auch Einge- bürgerte (unter anderem Fürth, Erlangen, München, Nürnberg und Schwabach) den Beiräten an. Zudem organisieren sich zunehmend Ausländer_innen und (Spät-)Aussied- ler_innen gemeinsam in den Beiräten (zum Beispiel Bad Kissingen, Erlangen, München, Nürnberg und Schwabach). Die frühere Trennung ist inzwischen weitgehend aufgeho- ben.

Einbindung von Eingebürgerten

• Eingebürgerte werden mit Blick auf ihre bisherige Staatsangehörigkeit auf die  jeweiligen Länder- bzw. Regionen-Sitze verteilt (zum Beispiel in Augsburg, Bamberg und Fürth). Bei mehreren Staatsangehörigkeiten wird eine Staatsangehörigkeit für die Wahl festgelegt. Ohne weitere Regelungen kann dieses Modell theoretisch dazu führen, dass alle Mitglieder im Beirat Eingebürgerte sind.                                                                                                             
• Eingebürgerte haben eigene Sitze (zum Beispiel in Erlangen und Nürnberg). Dieses Modell führt dazu, dass die Zahl der eingebürgerten Mitglieder im Beirat genau festgelegt und damit beschränkt ist.
                                                                                                                     
Allgemein gilt, dass Eingebürgerte in der Regel nur auf eigenen Antrag hin oder wenn sie sich in ein Wählerverzeichnis eingetragen haben, wählen dürfen. Dieses Verfahren ist notwendig, da Eingebürgerte Deutsche sind, die nicht aufgrund ihrer Migrationsgeschichte extra registriert werden dürfen. Sie sollten selbst entscheiden, ob sie sich bei Beiratswahlen als Wähler_innen oder Kandidat_innen beteiligen wollen. Einige Beiräte haben zudem festgelegt, dass die Einbürgerung nur eine bestimmte Zeit zurück liegen darf (in München 12 Jahre).

Einbindung von (Spät-)Aussiedler_innen

• (Spät-)Aussiedler_innen haben eigene Sitze (zum Beispiel in Bad Kissingen 9 Sitze, in Erlangen 2 Sitze, in Schwabach 2 Sitze)
                                                                                                              
• (Spät-)Aussiedler_innen haben eigene Sitze, einige werden jedoch gewählt und einige benannt (zum Beispiel in Nürnberg: insgesamt 8 Sitze, von denen 2 durch das Haus der Heimat besetzt werden)

Beispiel Nürnberg: Eingebürgerte und (Spät-)Aussiedler_innen im Integrationsrat

In Nürnberg sind neben den ausländischen Bürger_innen auch eingewanderte deutsche (Spät-)Aussiedler_innen sowie eingebürgerte Personen ab 18 Jahren bei der Wahl zum Integrationsrat stimmberechtigt. Dazu müssen deutsche (Spät-)Aus-
siedler_innen neben ihrem amtlichen Ausweis ein weiteres Dokument bzw. weitere Dokumente im Wahllokal vorlegen: den Ausweis für Vertriebene und Flüchtlinge, die Bescheinigung nach §15 Bundesvertriebenengesetz, den Registrierschein oder ihre Einbürgerungsurkunde. Eingebürgerte können an der Wahl teilnehmen, wenn sie einen amtlichen Ausweis sowie ihre Einbürgerungsurkunde im Wahllokal vorlegen. Wer nach 1995 in Nürnberg eingebürgert wurde und noch dort lebt, wird vom Wahlamt mittels einer Wahlberechtigungskarte informiert.

AGABY begrüßt und empfiehlt diese Weiterentwicklung in der Zusammensetzung der Beiräte, da sie am besten die Vertretung der Interessen von Menschen mit Migrationsgeschichte und ihren vielfältigen Erfahrungen und Kompetenzen ermöglicht.